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Die Revolten der Völker im arabischen Raum

Teil der proletarischen Weltrevolution

Die arabischen Völker erwachen erneut. Der Aufstand, die Revolten einzelner Völker, einzelner Nationen im arabischen Raum erschüttern die seit 40 Jahren währenden despotischen Zustände in einzelnen Ländern Arabiens. Es sind Aufstände, es sind Revolten des Hungers, des Brotpreises, des Wassers, der Hygiene und der Bildung. Es sind Aufstände und Revolten, weil die arabischen Völker zur Stunde zu nichts anderem in der Lage sind. Die Revolten in den einzelnen arabischen Ländern haben eines gemeinsam, so unterschiedlich sie historisch, und so unterschiedlich sie im einzelnen in den Aufständen und den Revolten sind. Es sind Aufstände, an denen das ganze Volk und einzelne Klassen der Gesellschaft beteiligt sind. Es ist die Klasse der kleinen Bauern (Fellachen), es ist die städtische wie die dörfliche Armut. Die städtische Armut besteht aus den untersten Schichten des Volkes, Millionen, die ums Überleben kämpfen mit Gelegenheitsarbeit, Hunderttausenden kleinen Händlern und kleinen Handwerksbetrieben, untersten Schichten der Nationalbourgeoisie, und jüngst auch Teilen des Industrieproletariats. Es ist also die Gesellschaftsformation des Widerstandes von Völkern, wo der Kapitalismus nie voll sich entwickelt hat (wie in den alten imperialistischen Ländern), sondern die ehemals Kolonien waren (z.B. Algerien) oder die ausgerüstet sind mit ganz, ganz schwachen Nationalbourgeoisien und die unterworfen sind durch militärischen, politischen und ökonomischen Einfluß alter imperialistischer Staaten (z.B. Ägypten).

Was ist der Auslöser der Hungerrevolten und des Kampfes gegen die Despotie?

Es ist die heute gegebene Schwäche der Imperialisten. Es ist die Schwäche der USA, es ist die Schwäche Frankreichs und es ist die Schwäche Deutschlands. Es ist ihre Weltwirtschaftskrise, aber die der Imperialisten in ihren eigenen Ländern, die zum einen direkt zu dieser Schwäche geführt hat. Und es ist zum anderen die Veränderung des geopolitischen Gewichts dieser drei Imperialisten im arabischen Raum. Es ist die kriegerische Politik der Befriedung des Iraks ebenso wie die Aufrechterhaltung der Despotie durch die Imperialisten in diesen Ländern der Revolten. Es ist aber nicht die Weltwirtschaftskrise im Allgemeinen oder im Besonderen in den arabischen Ländern.

Von Inhalt und Form sind die Aufstände in diesen Ländern - so unterschiedlich sie sind - Revolten. Zur Stunde ist weder in Ägypten, noch in Algerien, noch im Jemen, noch in Marokko, noch in Tunesien der Volksaufstand in der Lage, überzugehen in einen revolutionären Kampf. Was unterscheidet Aufstände des Hungers und des Kampfes ums Brot, wie man Revolten bezeichnen kann, von Revolutionen? Der Unterschied ist der, daß Revolutionen darum kämpfen, eine neue Gesellschaftsordnung aufzurichten. In den Ländern der Revolte wäre dies die neue Gesellschaftsordnung bei Niederschlagung der alten die Volksdemokratie mehrerer Klassen. Der Unterschied zwischen Revolten und dem Übergang zur Revolution zeigt sich eben gerade darin, daß die Kräfte der Volksfront, die vorläufig den Sturz des alten Systems vornehmen, sich in einer Volksfrontregierung etablieren, die nicht durch Wahlen hervorgebracht wird, sondern durch den revolutionären Widerstand eines Volkes (wie z.B. in Südafrika Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre in der Form des ANC). Revolten und Aufstände des Hungers und um Brot können noch sehr leicht befriedet werden. Und sie sind in der Vergangenheit im arabischen Raum auch befriedet worden (wie z.B. in Algerien in den 60er/70er Jahren durch die Festlegung eines staatlichen Brotpreises und die Auswechslung der Despotie). Wir können beim heutigen Stand und bei unserem heutigen Wissen gegenüber den einzelnen arabischen Staaten nicht sagen, ob die Despotie und der US-Imperialismus, der französische und der deutsche Imperialismus die Aufstände und Revolten in den einzelnen arabischen Ländern noch einmal befrieden können durch einen staatlichen Brotpreis, durch staatliche Wasserversorgung, durch teilweise Befreiung vom Schulgeld etc. und durch die Auswechslung der Despotie der heute Herrschenden gegen Despoten der zweiten Garnitur mit einer kleineren Beteiligung der Nationalbourgeoisie und der weiteren Machtfülle der jeweiligen Militärs. Wenn der Volksaufstand dem US-Imperialismus, dem deutschen und französischen Imperialismus und den eigenen Despoten der dritten Reserve folgt und der Aufstand befriedet wird, wenn der Volksaufstand sich auf Wahlen einläßt, ist die Revolte von den Herrschenden geschlagen. Denn die Revolte nicht zur Revolution kommen zu lassen - das ist das Ziel der Imperialisten, das ist das Ziel der verschiedenen Despoten. Deswegen das Geschrei nach Wahlen und nach Übergangsregierungen in diesen Ländern. Die Despoten sind an der Macht, weil die Imperialisten die Macht mit ihnen geteilt haben. Deswegen die Hunderte und Aberhunderte Vertreter der US-Regierung zur Zeit bei der sogenannten Opposition und vor allem bei den Militärs dieser Länder. Aber auch der französische und der deutsche Imperialismus sind zur Stunde hoch aktiv in diesen Ländern, unter der Losung "Wahlen und Demokratie". Gelingt es also den Imperialisten mit den Herrschenden in den arabischen Ländern, mit den Despoten der zweiten und dritten Garnitur und insbesondere mit dem nationalen Militär, das Volk zu befrieden durch den Brotpreis etc. und durch Auswechslung der schlimmsten Despoten und der Schlägertrupps dieser Despoten, dort Polizei genannt - dann hat der Imperialismus die Lösung, die er wollte. Denn die andere Lösung ist nur, das Militär der Länder unter Führung und Beteiligung des US-Imperialismus dort einzusetzen gegen das eigene Volk einzusetzen bis zum Einsatz des Einmarsches der Imperialisten selbst. Alle Militärs in diesen Ländern (Generäle etc.) sind Teil der Despotie. Es ist eine offene Lüge der Bourgeoisie in der Bundesrepublik insbesondere, daß das Militär in Ägypten das Volk vor der Despotie und ihren Schlägern schützt. Es ist umgekehrt: Das Militär schützt den kommenden Übergang zur neuen Despotie und hält das Volk in Schach, den Gewaltenapparat und die Regierungssitze zu besetzen. Und es ist die deutsche öffentliche Diplomatie, die dadurch den Militärs dieser Länder signalisiert: Wir werden mit euch erneut zusammenarbeiten können.



Revolutionen sind der gewaltsame Kampf um die Zerschlagung einer alten Staatsmacht, eines überlebten politischen Überbaus, ein Kampf, der, soll er erfolg- und siegreich sein, durch eine Diktatur gekrönt werden muß. Eine solche Diktatur kann in den Ländern des arabischen Raums noch nicht die proletarische Diktatur sein, sondern die Diktatur mehrerer Klassen, vor allem die Diktatur der Arbeiter und Fellachen, also der arabischen Kleinbauern.

Von einer solchen Revolution aber kann derzeit noch keinesfalls die Rede sein. Vor allem aus einem Grund: Revolutionen, die erfolgreich mit einer Diktatur gekrönt werden, erfordern Führung, erfordern die Avantgarde, erfordern im Imperialismus auch in Ländern wie denen des arabischen Raums die Leitung durch das Proletariat und seine politische Partei. Davon kann nach unseren Kenntnissen in keinem dieser Länder die Rede sein, wo die kommunistischen Parteien zum Teil seit Jahrzehnten (in Ägypten z.B. seit 1953) illegal zu arbeiten gezwungen und durch diese jahrzehntelange Illegalität wie durch die Zersetzung durch den modernen Revisionismus gewaltig geschwächt sind.1

(Dabei verkennen wir nicht, daß diese Länder große Unterschiede aufweisen. Algerien etwa hat als Kolonie Frankreichs, des Landes der konsequentesten bürgerlichen Revolution, eine größere Tradition wenigstens bürgerlich-demokratischer Elemente als andere Länder. Auch hat das Volk dieses Landes in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts einen erfolgreichen kolonialen Befreiungskampf geführt.2 In Marokko waren auf den Demonstrationen - im Gegensatz zu den Demonstrationen in anderen arabischen Ländern - rote Fahnen mit Hammer und Sichel in bemerkenswerter Zahl zu sehen. Usw. usf.)

Es wäre also ein Fehler, die Revolten im arabischen Raum als "Revolutionen" zu sehen. Der viel schlimmere Fehler aber, den man begehen kann ist der: Nicht zu erkennen und nicht laut zu sagen, daß diese Revolten der Völker des arabischen Raums nichts anderes sind und nichts anderes mehr sein können als Bestandteil der sozialistischen Weltrevolution.

Warum?

Können Revolutionen in abhängigen, in kolonialen und halbkolonialen Ländern noch bürgerlich-demokratische Revolutionen sein? Nein, das können sie nicht. Im Imperialismus, angesichts der Beherrschung der Welt durch eine Handvoll imperialistischer Großmächte, bringt bürgerliche Herrschaft es in Ländern wie Tunesien, Ägypten, Syrien etc. nicht weiter als allenfalls bis dahin: Die mehr oder weniger scheinparlamentarische Diktatur von Kompradorenbourgeois, vom Imperialismus ausgehaltenen, finanzierten und unterstützten Militärcliquen im Verbund den obersten Teilen einer kleinen nationalen Bourgeoisie und mit feudalen und halbfeudalen Herrschergruppen, wie sie in Saudi-Arabien oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Bahrain, Katar und anderen Ländern zu "bewundern" sind. Es ist die Ökonomie des Imperialismus wie seine politische und militärische Kontrolle über diese Länder, die die Herausbildung eines eigenständigen Kapitalismus und einer nationalen Kapitalistenklasse, die zu einer souveränen bürgerlich-demokratischen Diktatur überhaupt fähig wäre, völlig verunmöglichen. Der Vorabend der proletarischen Revolution auf der ganzen Welt macht sie unmöglich. Die Völker der kolonialen und halbkolonialen Länder teilen alles Elend, alle Verrottung des sterbenden Kapitalismus, ohne je die "Segnungen" des aufstrebenden Kapitalismus geteilt zu haben. Sie genauso wie wir - wir leben nicht mehr im Zeitalter der bürgerlichen Revolutionen des 17., 18. und 19. Jahrhunderts. Bürgerliche Revolutionen wird es (mit vielleicht ganz, ganz wenigen Ausnahmen, von denen wir keine erkennen können) im 21. Jahrhundert nicht mehr geben.3

Eine Zukunft haben die Völker in diesen Ländern nur mehr an der Seite und als Bestandteil der proletarischen Weltrevolution, als Teil der weltweiten Revolution zum Sturz des Imperialismus und zur Errichtung der Arbeitermacht. Freilich wird dies in anderen Formen und mit anderen Etappen vor sich gehen wie in entwickelten kapitalistischen Ländern oder in Ländern auf mittlerer kapitalistischer Entwicklungsstufe. Der nächste Inhalt ihrer Revolutionen ist: "Zerschlagung des Einflusses des Imperialismus, Niederschlagung der Kompradoren- und reaktionär-antinationalen einheimischen Bourgeoisie und der Übergang zur Neuen Demokratie (Diktatur mehrerer Klassen)."4 Aber auch, um das klar zu sagen: "Das Maximalprogramm in den imperialistischen Ländern wie in allen Ländern der Welt, ob sozialistisch, neudemokratisch, kolonial, halbkolonial oder eben imperialistisch, kann nur noch lauten: Aufhebung aller Klassen, die kommunistische, die klassenlose Gesellschaft."5 Der Weg ihrer Revolutionen ist die Volksrevolution in Form volksdemokratischen Umsturzes, der ausgebaut und vorangetrieben wird zur Diktatur mehrerer Klassen, im gegebenen Fall der Arbeiter und Bauern (Fellachen). Es ist ein Weg zum Sozialismus, wie ihn die Südafrikanische Kommunistische Partei zusammen mit dem ANC zusammen im 20. Jahrhundert bis zum Sturz des Apartheid-Regimes eingeschlagen hat. (Und wenngleich inzwischen im ANC nicht mehr die volksdemokratischen Revolutionäre bestimmen - die Erfahrungen der südafrikanischen Revolution bleiben, die Lehren daraus können gezogen werden, und es wird deutlich, warum die Kommunisten in der BRD etwa auf der Trikont-Veranstaltung von 1994 so großen Wert darauf gelegt haben, daß dort neben Vertretern der vietnamesischen und der cubanischen Revolution auch ein Vertreter Südafrikas sprach.)

Wie gesagt: Der Schritt von der Revolte zur Volksrevolution ist in den Ländern des arabischen Raums noch nicht sichtbar. Wie alle Revolutionen des 20. und 21. Jahrhunderts benötigt er die Führung durch die bis zum Ende revolutionäre Klasse, die Arbeiterklasse. Die ist in diesen Ländern sehr schwach, und sie ist nicht revolutionär organisiert.

Und dennoch ändert dies nichts daran, daß die Revolten der proletarischen Weltrevolution helfen. Sie schwächen den Imperialismus. Man sehe sich nur die lavierende Ratlosigkeit der Imperialisten (auch und gerade Frau Merkels) und die Widersprüche zwischen ihnen an, wie sie angesichts der Revolten nicht nur auf der Münchner "Sicherheitskonferenz" aufgetreten sind. Ihre alten Stützpfeiler in Nordafrika und im Nahen Osten wanken, ihre alten Statthalter werden verjagt. Der französische Imperialismus, der so sehr auf eine von ihm beherrschte "Mittelmeerunion" als Gegengewicht gegen die Vorherrschaft des deutschen Imperialismus in Osteuropa gesetzt hatte, steht vor den Trümmern seines Plans.6 Der US-Imperialismus kann seine Satrapen in der Region, die er jahrzehntelang gepäppelt, mit Waffen gegen die arabischen Völker versorgt und ausgehalten hat, immer weniger stützen. Und das wird bewirkt noch nicht einmal durch eine zielklar geführte Volksrevolution. Sondern es sind "nur" die Massendemonstrationen und Revolten von Völkern, die nicht mehr weiterleben können und wollen wie bisher. Schon sie sprechen wie das Kind im Märchen zumindest eine Ahnung davon aus, wie nackt der Kaiser doch ist.

Die Herrschenden Israels sehen in den Volksaufständen und Revolten in den einzelnen arabischen Ländern wie insbesondere in dem, was sie hervorbringen werden an neuen Regierungen von Despoten und Militär, eine große Gefahr gegen ihr Land. Bezeichnend der Ausspruch eines israelischen Diplomaten, den das "Handelsblatt" am 8.2. bringt: "Uns sind diktatorische Freunde lieber als demokratische Feinde." Die Völkerfreundschaft im arabischen Raum, die Klasseneinheit der arabischen, palästinensischen, israelischen Arbeiter, die gemeinsamen Interessen der Bauern in Israel und den arabischen Ländern - das war für sie nie der Garant für die Existenz des Staates Israel. Der Garant war für sie immer die unbedingte Unterstützung durch den US-Imperialismus als seiner Speerspitze in der Region und die teils offene, teils verdeckte Kumpanei mit den reaktionär-despotischen arabischen Regimes. Beides aber ist gefährdet durch die Volksemeuten und die Wut auf die Despoten.

Eine Stimme vernehmen wir kaum: die Stimme der PLO. Was auch hätte sie zu sagen, nachdem sie seit Jahrzehnten den palästinensischen Nationalismus einer kleinen nationalen Bourgeoisie um den Bauunternehmer Yassir Arafat gefördert und die Einheit zwischen dem israelischen und dem palästinensischen Volk torpediert hat? Nachdem sie sich seit Jahrzehnten mehr und mehr in die Abhängigkeit von halbfeudalen Despoten der arabischen Halbinsel begeben hat? Was hätte sie zu sagen, wo diese Pfeiler palästinensisch-nationalistischer Politik wanken? Was könnte sie sagen, ohne sich in offenen Widerspruch sowohl zu den arabischen Volksmassen als auch zu ihren Geld- und Unterstützungsgebern zu setzen? Zwischen allen Stühlen sitzt sich’s schlecht.

Es sind nicht "islamistische Fundamentalisten", die die "Stabilität und die Demokratie" in der Region bedrohen. Man muß sich hier hüten vor der Vereinnahmung durch Chauvinismus und Rassismus. Und man muß sich vor jedem Wort der Bourgeoisie hüten, das sie in dieser Richtung sagt, man muß dreimal untersuchen, ob dies tatsächlich so ist, wie es gesagt wird. Hier wird kein "Djihad", kein "Heiliger Krieg" des Islam geführt, der eine deutsche Erfindung zur Aufhetzung der arabischen Völker gegen den britischen Konkurrenten war und sich ausschließlich auf die Gewalt feudaler Herrschaftsstrukturen stützte. Zum Beispiel: Die Geschichte der Muslimbruderschaft in Ägypten sollte schon bekannt sein, um die Meinung der hierzulande herrschenden Bourgeoisie zu widerlegen oder in einzelnen Fragen zu bestätigen. Sie haben historisch gesehen nichts mit dem vom US-Imperialismus selbst organisierten und hervorgebrachten "heiligen Krieg des Islam" zu tun. Ob der sogenannte Djihad in Afghanistan, ob der sogenannte Djihad in Pakistan, der sogenannte Djihad im Irak sind Produkt der Organisierung, Finanzierung und des direkten Einflusses des Imperialismus, insbesondere des US-Imperialismus. Er ist weiter ein Produkt der Despoten dieser Länder selbst, die mit Hilfe des Imperialismus sich seit Jahrzehnten an der Macht halten. Und sie sind Ausdruck von tiefem Nationalismus in arabischen Ländern. Aber sie sind nicht immer ein neues Produkt der letzten zwei Jahrzehnte des letzten oder des ersten des jetzigen Jahrhunderts. Zum Beispiel: Die Muslimbruderschaft Ägyptens wurde 1922 gegründet und spielte in diesen vielen Jahrzehnten eine unterschiedliche Rolle. Insbesondere in den 50er Jahren unter Nasser wie noch in den 60er Jahren war die Muslimbruderschaft geteilt in einen politischen Zweig und in einen Volkshilfsdienst. Der eine Teil war noch stärker nationalistisch wie es Nasser selber war und war ein scharfer Gegner der Politik der Sowjetunion gegenüber Ägypten. Nach der Schwächung des sozialistischen Lagers gegenüber Ägypten unter Breschnew veränderte sich die Muslimbruderschaft erneut. Zum einen gab es eine Minderheitsströmung des Antisemitismus, gegen Israel, zum anderen vermehrte sich die Volkstätigkeit (Essensbeschaffung für die Ärmsten, Speisungen, Schulunterricht, Hygiene und Sanitäres bis hin zur Ersten Hilfe bei Krankheit). Der Antisemitismus war aber immer in der Hauptseite der Antisemitismus der Despoten. Ab den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts bis heute kann man die Muslimbrüder als politische Organisation eigentlich gar nicht betrachten. In der Mehrheit sind es Volksdiensttätigkeiten in den einzelnen Stadtteilen bis auf - wie immer - eine Minderheit, die auch jetzt in der Regierungsbildung offensichtlich wird. Die Muslimbruderschaft kann auch nicht einfach mit der Hamas verglichen werden. Auch die Hamas hat eine eigene historische Geschichte und ist durch und durch antisemitisch. Also: Wir müssen bei unserer geringen Kenntnis des arabischen Raums jede Stellungnahme und die Aussagen - soweit es nicht Originalaussagen aus diesem Raum oder von Organisationen dieses Raumes sind - nicht nur einmal, sondern zweimal und dreimal hinterfragen und auf historische Korrektheit überprüfen. Zum Beispiel solche Behauptungen, hier handle es sich um einen vom "islamischen Fundamentalismus" geschürten Aufstand, sind interessierte Behauptungen des Imperialismus, der sich nicht erklären kann und darf, wie selbst in solchen Emeuten von Völkern die proletarische Weltrevolution ihre Unabwendbarkeit und Unabweisbarkeit für jeden, der sehen kann, demonstriert!

Wir haben dargelegt: Die Revolten der arabischen Völker sind noch führungslos. Die Herrschercliquen verhandeln mit ihnen mit keinem anderen Zweck als dem, die nächste Reihe von Despoten an die Macht zu bringen. Sie wollen die Zustimmung der Beherrschten zum Fortgang der Unterdrückung. Sie werden zeitweise Erfolg haben. Die Revolte wird ins Stocken geraten. Sie wird grausam-gründlich ihre Halbheiten und Unzulänglichkeiten kritisieren. Und sie wird immer wieder aufflammen. Bis sie sich die Führung und die Klarheit geschaffen hat, die Bewegung der Völker des arabischen Raums auch subjektiv und bewußt in die Reihen der sozialistischen Weltrevolution zu stellen. Und bis - dies vor allem - die Arbeiter im Herzen der imperialistischen Bestie jeglichen Nationalismus und Chauvinismus, jegliches Versöhnlertum abgeschüttelt haben, die Arbeiterbewegung der imperialistischen Länder selbst zur revolutionären Lokomotive der weltweiten proletarischen Revolution wird.

6. Februar 2011


Zu den Kämpfen in Libyen



In den Ausführungen zu den Revolten im arabischen Raum wird festgestellt und begründet, warum die Revolten der Völker des arabischen Raums Teil der proletarischen Weltrevolution sind. Es wird weiter festgestellt, daß die hohe Wahrscheinlichkeit besteht - und das ist dabei, sich zu bewahrheiten -, daß sie angesichts ihrer Führungslosigkeit, der Schwäche insbesondere des Proletariats durch eine Auswechslung der arabischen Despoten wieder oder noch einmal "befriedet" werden. Zumindest in Ägypten sehen wir diese "Befriedung" stattfinden, die für das revoltierende Volk eine Niederlage ist.

Und weiter wird festgestellt, daß wir uns sehr davor hüten müssen, alle diese Länder gleich zu betrachten. Ihre Geschichte, ihre unterschiedliche Vergangenheit eines geführten oder nicht geführten antikolonialen Kampfes, ihre unterschiedliche ökonomische Entwicklung bedingen, daß sie kein monolithisches Ganzes darstellen.

Eine sehr große Besonderheit weist Libyen auf.

Es ist fraglich nach all dem, was wir bis jetzt wissen, daß die derzeitigen Auseinandersetzungen in Libyen Teil der zur Stunde im arabischen Raum stattfindenden Revolten des Volkes und dadurch Teil und Bestandteil der Weltrevolution sind.

Die kurze Geschichte Libyens ist äußerst wechselvoll und somit auch die der Machtgruppe "Gaddafi". Am Anfang der Machtergreifung der "Gaddafa", in den 40er und am Beginn der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts stand der Befreiungskampf gegen den italienischen Faschismus und gegen den Kolonialismus, der 1951 zur Befreiung und zur Unabhängigkeit und zum Zusammenschluß der tief noch im Feudalismus verankerten Stämmen in Libyen führte. Der die arabischen feudalen ökonomischen und politischen Strukturen aber nicht zu sprengen wußte, sondern in ein installiertes Königtum mündete, das durch einen Militärputsch (1969) der "Gaddafa" gestürzt wurde. Dieser Teil der Geschichte Libyens, so unterentwickelt er auch noch war, ist und bleibt Teil des damaligen antikolonialen und damit antiimperialistischen Befreiungskampfs und damit Bestandteil der proletarischen Weltrevolution.

In den 60er und noch zum Teil in den 70er Jahren führte die zur Macht gelangte Gruppe "Gaddafi" auf Grundlage des früheren antikolonialen Befreiungskrieges und durch den Sturz des königlichen Feudalismus für das Volk einzelne günstige Maßnahmen durch. Zurückdrängung der feudalen Stammesgruppierungen, Beginn eines einheitlichen Staatsgebietes, wie den Kampf gegen Analphabetismus und Verbesserung des Lebens durch erste Ansätze der Industrialisierung. Aber die unterentwickelte ökonomische Struktur Libyens, die in der Stammesgesellschaft ihre Entsprechung hat, wurde auch nicht durch den großen Ölreichtum des Landes gesprengt. Sondern ganz im Gegenteil, sie führte zu Machtkämpfen unter den einzelnen Stammesgruppen unter der Führung der Clanschefs und zum imperialistischen Einfluß - England, Frankreich, USA, und ab den 70er und 80er Jahre vom deutschen Imperialismus -, der auf das Land zunahm. Und somit nahmen zu die konterrevolutionären Auseinandersetzungen der einzelnen Stammes-Clans, in der die Stammesgruppe "Gaddafa" die Oberhand hatte und bis heute einnimmt. Es ist der Gaddafi-Stamm, der mit Despotie, mit seinem Gewaltenapparat, einem hochaufgerüsteten Militärapparat, mit einer verbrecherischen Geheimpolizei, mit Söldnern aus anderen Ländern nicht nur das Volk in Stadt und Land niederhielt, sondern auch die Konkurrenten der anderen Stammesgemeinschaften. Es sind die Clan-Familienangehörigen der Stammesgemeinschaft der "Gaddafis", gegen die heute die städtischen und ländlichen verstreuten anderen Stammesgemeinschaften samt ihrer reaktionären Clan-Führer den Kampf führen um den Sturz des "Gaddafis-Clans" und stark beteiligt sind am Sturz der alten Despoten. Und es ganz und gar nicht ausgeschlossen ist, daß Gaddafi samt seiner Brut ins Ausland fliehen muß.

Daß die blutige Auseinandersetzung, die Hunderte und täglich weitere Hunderte Tote fordert, eine Revolte des Volkes ist, ist mehr als in Frage zu stellen auch dann, wenn größere Teile des Volkes, der Unterdrückten und in völliger Armut Lebenden der einzelnen Stämme daran beteiligt sind. Denn was man bis jetzt weiß, sind die Massen unter dem Einfluß wie unter der Führung der feudalen Stammesclanchefs, was das Massaker ausdrückt (und nicht allein das Massaker des Clans Gaddafis, der jeden Widerstand, jeden Aufstand blutig mit seinem Gewaltenapparat, seinen Söldnern niedermetzelt). Die jetzige Absetzung von Teilen des Gaddafi-Militärs auf die Seite der Aufständischen zum Beispiel im Norden oder Osten des Landes, ist das übliche Absetzen der Reaktion der Despotenunterstützer (seit 42 Jahren); und es kann ganz und gar nicht ausgeschlossen werden, daß dieser klassenunspezifische Aufstand zur Zerschlagung des Landes führt, wo einzelne Stämme durch die feudalen Stammesführer einzelne Despotien auf kleinen Gebieten von Stammesgemeinschaften errichten und somit das ganze Land zum Fraß der Imperialisten freigeben. Denn keiner wird sich ohne die "Unterstützung" der Imperialisten zu halten wissen. Dazu sind alle objektiven Voraussetzungen gegeben, denn auch das heutige Libyen unter dem Despoten Gaddafi ist ein Konglomerat aus Stämmen, die die von ihnen bewohnten Gebiete beherrschen und selbst wiederum mit Gewalt durch einen Stamm dominiert werden, und deren Stammesführer seit Jahrzehnten von den Gaddafis durch große Summen von Geld aus dem Ölgeschäft befriedet wurden.

Wir haben es hier zu tun mit einem zwangsnotwendig blutigen Aufstand von den reaktionärsten Teilen einer Gesellschaft, und mit einem Volk, das noch weitgehend im Feudalismus lebt - wie von Menschen, die aus den verschiedensten Länder rekrutiert wurden und auf den Ölfelder und anderswo schuften (und außer Flucht keinen anderen Ausweg sehen). Weder geschichtlich, noch ökonomisch, noch von der gesellschaftlichen Ordnung ist dies reif, sich der proletarischen Weltrevolution anzuschließen. Bei der heutigen Faktenlage des blutigen Aufstands in Libyen müssen wir davon ausgehen, daß die feudale Reaktion nicht nur die Oberhand hat, sondern auch, daß das Volk der Stammesgemeinschaften noch mehr leidend in die Vergangenheit der Menschheit zurückgeworfen wird. Und daß der Sturz des Gaddafi-Clans, seine Vertreibung aus dem Land, nicht einen wesentlichen Beitrag zur Befreiung des Volkes leistet und zur zeitlichen Verkürzung seines Anschlusses wird, der das libysche Volk endlich einreiht als ein Teil der Weltrevolution.

18. Februar 2011



1 Vergessen wir nicht, daß es die Chruschtschow- und Breschnew-Revisionisten waren, die von der Militärherrschaft unter Gamal Abdel Nasser und Anwar el Sadat in Ägypten als von einem "arabischen Sozialismus" faselten.

2 Wir empfehlen das berühmte Buch von Frantz Fanon: Die Verdammten dieser Erde. Und/oder den Film: Schlacht um Algier.

3 Wir empfehlen, dazu noch einmal die "Thesen zur Strategie und Taktik", verabschiedet von der III. Delegiertenkonferenz des Arbeiterbunds für den Wiederaufbau der KPD, Februar 1980 zu studieren. Hier insbesondere das Kapitel II ("In welcher Epoche befinden wir uns….?"), S. 9 bis 36

4 Thesen zur Strategie und Taktik, München 1980, S. 11

5 Ebda., S. 12

6 Der Vorsitzende des Mittelmeerrats hat Anfang Februar die Brocken hingeschmissen: Die Sache habe nun keinerlei Chance auf Realisierung mehr.