Weltwirtschaftskrise Weltwirtschaftskrise - Der Imperialismus am Vorabend der proletarischen Revolution.
Dokumente der Plenartagungen des Zentralkomitees des Arbeiterbunds für den Wiederaufbau der KPD.
Heft 1, Oktober 2008 bis Dezember 2009, 122 Seiten, 3,- Euro
Heft 2, Januar 2010 bis Oktober 2010, 116 Seiten, 4,- Euro
Heft 3, November 2010 bis April 2012, 160 Seiten, 6,- Euro
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Europa

1.

Europa als Kontinent gibt es nicht. Ebenso wenig wie es zum Beispiel Nordamerika als eigenen Kontinent gibt. Es gibt Eurasien, dessen westlicher Teil Europa genannt wird und das vom Atlantik bis zum russischen Ural reicht. Was Europa genannt wird, beherbergte und beherbergt ein Sammelsurium von größeren und kleineren Völkern und Staaten. Während anderswo sich mit dem Aufkommen des Bürgertums längst schon Nationalstaaten gebildet hatten, gab es einen deutschen Staat bis zum Sieg Preußens über Frankreich im Krieg von 1870/71 nicht. Und er wurde gleich mit einer nie vergessenen Infamie gegründet, nämlich als Demütigung des Besiegten. Im Spiegelsaal von Versailles ließ sich der preußische König zum deutschen Kaiser krönen. Aber es war nicht nur eine Demütigung Frankreichs, sondern mit der deutschen Annexion von Elsass-Lothringen wurde etwas geschaffen, durch das Friederich Engels während der folgenden friedlichen Jahrzehnte einen Weltkrieg kommen sah. In diesem Weltkrieg kämpften die großen imperialistischen Staaten Europas um die Neuaufteilung der Welt unter sich. Und der mit seiner Staatsgründung zu spät und zu kurz gekommene deutsche Imperialismus hatte daran das größte Interesse. Und verlor diesen Weltkrieg.

2.

Nach dem Weltkrieg, der später der erste genannt wurde, kam Deutschland in wenigen Jahren wieder auf die Beine. Aber es hatte inzwischen nicht nur mit anderen Imperialisten zu tun. Sondern bei einem seiner Kriegsgegner war der Staat noch im Krieg von unten nach oben gekehrt worden und mit der Oktoberrevolution ein sozialistisches Land entstanden. Die Feind­schaft zu diesem Land, das den Proletariern aller Länder die Machbarkeit ihrer Befreiung demonstrierte, einte die Imperialisten immerhin soweit, daß sie zu Zugeständnissen an Deutsch­land bereit waren. Bis hin zum sogenannten „Münchner Abkommen“ von 1938, durch das Deutschland einen Teil der Tschechoslowakei annektieren durfte. Es ist unerheblich, welche Teile des deutschen Großkapitals schon zuvor auf Kriegskurs waren und deswegen einen Weltkriegsgefreiten zum „Führer“ gemacht hatten und welchen Teilen der Appetit auf mehr kam, als sie sahen, wie das militärisch den anderen Imperialisten noch unterlegene Deutschland den Teil eines anderen Staates geschenkt bekam. Tatsache ist, daß sich Deutschland ein halbes Jahr später die ganze „Resttschechei“ holte. Es ist auch unerheblich, ob, Adolf Hitler meinte, so auch mit Polen verfahren zu können, oder ob er und sein Generalstab da schon den Krieg wollten. Tatsache ist, daß damit ein Krieg begann, der spätestens mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion zum Weltkrieg wurde. Den Deutschland ebenfalls verlor.

3.

Nach dem zweiten der Weltkriege kam Deutschland nicht wieder auf die Beine, auf die es kommen wollte. Fünfundvierzig Jahre lang. Denn bis 1990 gab es kein „Deutschland“ mehr, sondern zwei deutsche Staaten, von denen der eine sozialistisch sein sollte und es soweit auch war, daß er das „andere Deutschland“ war. Eines, das im Unterschied zur BRD nicht der „Nach­folgestaat“ des Weltkriegs-Deutschlands sein wollte. Und unter dem Schutz der Sowjetunion stand, bis diese keine Sowjetunion mehr sein wollte und ihre Führung sich mit der Annexion der DDR durch die BRD einverstanden erklärte. Helmut Kohl, unter dessen Kanzlerschaft dies geschah, hatte völlig recht, als er sich gegenüber einem britischen Historiker den „Spaß“ erlaubte, sich als direkten Nachfolger Adolf Hitlers zu erklären. Der war der letzte Kanzler eines „vereinten Deutschlands“ und Kohl der erste eines „wieder vereinten Deutschlands“. – Also, bis 1990 gab es kein „Deutschland“ mehr. Aber ein „Europa“. Eine „europäische Gemeinschaft“, die einst im Westen des Halbkontinents gebildet worden war, um die BRD „einzubinden“, dann eine „europäische Union“, in der die BRD zur stärksten Macht anwuchs und mit der Annexion der DDR mit Abstand auch wurde. Und nicht zuletzt mit Hilfe der „Gemeinschaftswährung“ Euro sich auf Kosten „Europas“ immer mehr bereicherte und sein „Europa“ zum großen Gegenspieler der USA zu machen begann. Aber gerade durch diese Bereicherung des deutschen Imperialismus zeigte sich, was Europa immer schon war: Keine politische Einheit, die von selbst zusammen­hält, sondern ein Haufen von Staaten mit gegen­sätzlichen Interessen, die, wenn das ökonomische Diktat nicht mehr ausreicht, nur durch das militärische unter einen Hut gebracht werden können. Und seit Beginn der Weltwirtschafts­krise zerbröselt dieses „Europa“ immer mehr. Das Ende der Fiktion eines „Europas“ könnte der Auftakt für einen neuen, dritten Weltkrieg sein. Eines Welt­kriegs, der, wie gehabt, in diesem Europa seinen Ausgang nimmt. Vielleicht kommt es anders und anderswo in der Welt, vielleicht aber auch genau so. Wenn der deutsche Imperialismus den Weltkrieg nicht sogar wieder auslösen sollte, wird er bestimmt an ihm teilnehmen und das nicht zu gering. Wenn wir es nicht verhindern! Mit dem Ziel, durch seinen Sturz diesen Halbkontinent und die Welt aus eigener Kraft und nicht durch den Sieg anderer für immer von ihm zu befreien und an seiner Stelle unsere Staatsmacht zu errichten.

tsb, 9.9.2012