"Tut nichts! Der Jude wird verbrannt ... Ja,
wär allein
Schon dieserwegen wert, dreimal verbrannt
Zu werden!"1
oder:
Warum das Holocaustdenkmal sofort errichtet werden
muß
English version:
"Burn, Jew, burn"
Or: Why there is one choice only - to build the holocaust memorial
immediately
Im Land der Dichter und
Denker bekommt man einen Friedenspreis, weil man es fertigbringt zu
sagen "... weil ich jetzt wieder vor Kühnheit zittere, wenn
ich sage, Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu
werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder
Moralkeule..."2
In diesem Land beschimpft
ein Herr von Dohnanyi Arm in Arm mit dem Rest der Dichter und
Denker Ignatz Bubis, weil er Walser einen geistigen Brandstifter
nennt. In diesem Land ist es kein Fall für die Gerichte, wenn
Dohnanyi den Ignatz Bubis öffentlich fragt, ob sich die Juden
damals soviel tapferer als die Deutschen verhalten hätten,
wenn nicht sie, sondern andere Gruppen in die Vernichtungslager
verschleppt worden wären. In diesem Land will man endlich
wieder normal sein, und deutsche Normalität beginnt mit der
Auschwitzlüge und dem Friedenspreis dafür. Es hat auf
deutschem Boden einen einzigen Versuch gegeben, die Wiederholung
von Auschwitz unmöglich zu machen: Im nächsten Jahr wird
es fünfzig Jahre her sein, daß mit der Gründung der
Deutschen Demokratischen Republik dieser Versuch gemacht wurde. Und
es wird zehn Jahre her sein, daß mit der Annexion der DDR
dieser Versuch beendet worden ist. Der Dichter Walser will,
daß das endlich aus unserem Gedächtnis gestrichen wird,
zusammen mit jeglicher Erinnerung an Auschwitz: "In der Diskussion
um das Holocaustdenkmal in Berlin kann die Nachwelt einmal
nachlesen, was Leute anrichten, die sich für das Gewissen von
anderen verantwortlich fühlen. Die Betonierung des Zentrums
der Hauptstadt mit einem fußballfeldgroßen Alptraum.
Die Monumentalisierung der Schande."3
Bundeskanzler Schröder
will sogar, daß man sich solch "einem Holocaustdenkmal mit
Freude nähert".4
Für Herrn Walsers oder
Herrn Schröders Gewissen fühlen wir uns nicht
verantwortlich, wohl aber für unser eigenes. Wir sind
verantwortlich dafür, daß sich die monumentale Schande
deutscher Normalität nie wiederholt. Deswegen und gegen die
Politiker der deutschen Normalität fordern wir, daß das
Holocaust-Mahnmal nach dem Entwurf von Peter Eisenman errichtet
wird. "Nehmen Sie alle Städte der Welt und prüfen, ob es
irgendwo ein Denkmal gibt für Schande. Ich kenne kein
einziges. Es gibt für so etwas Entsetzliches wie den Holocaust
keine öffentlichen Denkmäler, und es sollte sie auch
nicht geben." (Walser)5 Es muß dieses Denkmal geben. Und
wär' es nur, um den letzten Rest von Vernunft und Anstand zu
retten gegen jene, die zur deutschen Normalität und damit zu
Auschwitz zurückkehren wollen.
1 G.E. Lessing, Nathan der
Weise
2 Martin Walser, Dankrede aus
Anlaß der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen
Buchhandels ("Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede") am
12. Oktober 1998 in der Frankfurter Paulskirche, zit. in
Blätter ... 1/99, S. 118
3 Martin Walser, Dankrede..., in:
Blätter... 1/99, S. 119
4 Gerhard Schröder, ZDF
Dezember 1998
5 Martin Walser, zit. in Konkret
10/98, S. 49