Kohl ist weg.
Der Klassenkampf bleibt.
Nichts ist erledigt!


Die Wahl ist vorbei, Kohl ist weg, Schröder ist dran und jetzt wird, wie ein Kollege am Tag nach der Wahl im ZDF-Interview hoffte “es wohl besser werden für die Arbeiter”.
Hat das Volk nun Luft gekriegt durch diese Wahlen? Wenn ja, dann jedenfalls nicht zum Aufatmen. Sondern zum Kämpfen.

In der Verantwortung ist, mögen die Grünen sich noch so staatstragend gebärden, die SPD. Sie wird sich, sagt Schröder, an der Bekämpfung der Erwerbslosigkeit messen lassen müssen. Daran hat sie sich gewogen. Damit ist sie, das kann man jetzt schon sagen, für zu leicht befunden.

Daß die Erwerbslosigkeit verschwinde oder auch nur weniger werde, das liegt nicht in der Hand dieser Regierung, die sich den Schutz des Privateigentums an den Produktionsmitteln auf die Fahne geschrieben hat. Das haben die Kapitalisten dem Herrn Schröder auch umgehend mitgeteilt: “Arbeitsplätze entstehen nur, wenn sie den Unternehmen eine angemessene Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals versprechen.” (Wirtschaftswoche 43/98) Nach 200 Jahren Kapitalismus, da 5 Milliarden auf der Welt nicht bezahlen können, was ein paar hundert Milliardäre in ihren Fabriken herstellen lassen, funktioniert das immer weniger, und daran ändert keine bürgerliche Regierung etwas. Tun wir doch für einen Augenblick, was unsere Kapitalisten uns so oft geraten haben, und schauen wir nach Japan: 1600 Milliarden Mark aus Steuergeldern hat die Regierung dort in den letzten acht Jahren den Unternehmern geschenkt. Die haben’s dankend angenommen. Ergebnis ist die höchste Erwerbslosigkeit seit Jahrzehnten. Und daß auch hierzulande die Erwerbslosigkeit nicht davon kommt, daß die Kapitalisten zu wenig Geld hätten, wissen wir, weil es unsere Gewerkschaft weiß: Seit 1993, sagt der DGB, haben sich die Gewinne der Kapitalisten um 219 Milliarden Mark erhöht. Investiert wurden davon 17 Milliarden. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.98) 202 Milliarden allein aus diesem Topf haben sie verpraßt, verspekuliert und ins Ausland geschafft.
Was sagen uns diese Zahlen? Sie sagen: Ununterbrochen steigern die Unternehmer die Ausbeutung unserer Arbeitskraft. Sie sagen: Das Geld, das sie daraus erlösen, können sie nicht mehr verwenden, um neue Produkte, neue Fabriken, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Und sie sagen: Sie produzieren nur für eines, für ihren stets wachsenden Profit. Wo der “nicht stimmt” kann die Regierung die Pferde zehnmal zur Tränke führen wollen - saufen werden sie trotzdem nicht!

Das Fatale ist nicht, daß die Regierung irrt. Das Fatale ist: Daß sie verspricht, was sie nicht halten kann, um nicht halten zu müssen, was sie versprechen könnte. Einen “Politikwechsel” hat uns die Sozialdemokratie versprochen. Der hätte nicht mit anderen und neuen Versprechungen zu beginnen. Der hätte damit zu beginnen, daß zurückgenommen, aufgehoben und außer Kraft gesetzt wird, was in 16 Jahren Kohl unser Leben immer miserabler gemacht hat. Fast 100 Gesetze und Gesetzesnovellierungen hat die Arbeiterkammer Bremen für die Regierung Kohl aufgelistet, von denen jedes einzelne unsere Lage schlechter, die Rentner und Erwerbslosen ärmer, die Kranken hoffnungsloser und die Sozialhilfeempfänger zahlreicher gemacht hat. Daß wenigstes einiges und wenigstens das Wichtigste besser werde, dazu bräuchte es keines eigenen Gedankens einer neuen Regierung. Dazu bräuchte es nur die Rücknahme dieser Verbrechen der Kohl-Regierung am Arbeiter und am Volk. Dazu bräuchte es: die allerwichtigsten Forderungen der Werktätigen in Gesetze zu fassen. Weg mit den Gesetzesnovellierungen im Gesundheitswesen seit 1982, allen Verschlechterungen bei der Erwerbslosenstütze und bei den Renten seit 1982. Arbeiterkassen in Arbeiterhand! Her mit der 35-Stunden-Woche als Gesetz und der obligatorisch angetragenen Staatsbürgerschaft für alle, die hier leben. Weg mit der deutschen Blutsstaatsbürgerschaft!
Das liegt auf der Hand, das liegt in Resolutionen, Briefen und Beschlüssen von Gewerkschaften, Vertrauensleutekörpern und Betriebsräten auf dem Tisch. Das kostete eine SPD, die in Bundestag und Bundesrat die Mehrheit hat, ein paar Federstriche. Das wäre in den ersten 100 Tagen zu erledigen.

Wieviel davon aber steht auf den 50 Seiten des Koalitionsvertrags von SPD und Grünen? Was steht drin, was wir nach wenigen Wochen auf Einlösung kontrollieren könnten (und unbedingt kontrollieren müssen)? “Fehlentscheidungen beim Kündigungsschutz, bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und beim Schlechtwettergeld” sollen korrigiert werden. Der 1. Januar 1999 soll nicht ganz so grausam werden, wie Kohl sich das dachte: keine höheren Zuzahlungen bei Medikamenten und: die Rentenkürzungen zum 1.1.99 werden ausgesetzt (nicht aufgehoben!). 30 Mark mehr Kindergeld und den Zahnersatz auch für nach 1978 Geborene, den die lieben Kleinen dann allerdings im Dunkeln werden bewundern müssen, denn Strom, Gas, Heizöl und Benzin werden teurer werden. Und was die Spaltung unserer Klasse mittels des Staatsangehörigkeitsrechts angeht, so faßt man den Ausstieg aus dem Mittelalter deutschen Blutrechts allenfalls für die dritte Generation hier Lebender ins Auge. Die Ausländerbeauftragte des alten Parlaments hatte da schon mehr verlangt.
Das war’s? Da mag noch hier und da gebastelt, geschraubt oder “nachgebessert” werden. Im wesentlichen und erklärtermaßen war’s das! Wie nennt es die von einem ehemaligen Kanzler der SPD herausgegebene Zeitung? “Ein Schatten von Wahlkapitulation liegt über der Walstatt” (Die Zeit 44/98) .

Die neue Regierung sagt: Für mehr ist kein Geld in der Staatskasse. Ja wie denn auch? Dafür war die Staatskasse 16 Kohljahre lang schließlich auch nicht da. 16 Jahre lang war ein geschäftsführender Ausschuß der Kapitalistenklasse an der Macht, den als “Regierung der Millionäre und Milliardäre” zu bezeichnen die Wahlsieger vom 27.9. nicht müde wurden. Und nach 16 Jahren sollen die dem Kollegen Riester die Kassenschlüssel, die Scheckbücher und die angesparten Milliarden in die Hand drücken und sagen: “Jetzt verteil‘ mal!”? Man hat ein Land annektiert und Jahr für Jahr 180 Milliarden an die Unternehmer bezahlt, damit die wiederum so nett waren, nicht das ganze Volk der DDR ans Hungertuch zu bringen. Man hat die Vermögenssteuer abgeschafft und zugelassen, daß die großen Konzerne Milliarden und Abermilliarden aus dem Topf bekamen, statt einzuzahlen - und jetzt soll Geld für die Werktätigen da sein? Wir brauchen den Erbsenzählern in Lafontaines Finanzministerium gar nicht lange über die Schultern zu schauen und mitzurechnen. Wir erinnern uns an die 202 Milliarden allein aus den Gewinnsteigerungen der letzten Jahre. Die Reichen müssen zahlen, und die Reichen können zahlen. Mehr, Herr Schröder, ist dazu nicht zu sagen.

Wir haben keine Luft zum Aufatmen nach diesem 27. September, und Luft darf man einer Regierung nicht lassen, die nicht regieren will. (“Soll niemand merken, daß die CDU nicht mehr regiert?” höhnt die Hannoversche Neue Presse.) Man muß sie treten und treiben. Haben die Kapitalisten das nicht besser verstanden als das Volk? Sie mögen den “Automann” Schröder lieben - aber sie lieben keine Regierung, von der das Volk erwartet, daß sie etwas für das Volk tut. Also sind sie es, die jetzt die Forderungen stellen an ein “Bündnis für Arbeit”! Da soll die Regierung daran ersticken, daß sie Unerfüllbares versprochen und das Machbare nicht getan hat. Dagegen haben unsere Gewerkschaften, wenn denn schon an des Kanzlers Kamin verhandelt werden soll, nur das zu tun: die wenigen Federstriche einzufordern, mit denen die Lage der Arbeiter und des Volks in der Tat und sofort zu erleichtern wäre.

Die oder wir. Entweder die Arbeiter und ihre Gewerkschaften organisieren jetzt den Kampf für unsere allerdrängendsten, unsere minimalen Forderungen. Oder diese Wahlen fallen - so oder so - des Kapitalisten, den Reichen, den Geld- und Fabrikbesitzern auf die Butterseite. So stand es vor dem 27. September, so steht es danach. Die Wahlen haben daran nichts geändert. Wer jetzt abwartet, verliert. “Was wir vor der Wahl nicht getan haben, werden wir danach tun müssen”, schrieben wir Kommunisten im September. So ist es!