Jugend
Wie lange galt doch diese Feststellung Liebknechts als Warnung für unsere Kämpfe:
Bis dass der Tag kommt, an dem sich entscheidet, welche Seite gewinnt.
Er kommt nicht. Mögen die Herrschenden einst wieder versuchen, einen Tag rückzudatieren,
seit dem offiziell „zurückgeschossen“ wurde. Die Mobilmachung ist längst in vollem Gange –
schleichend und offen zugleich. Entschieden ist freilich noch nichts, aber kaum eine andere
Sache bestimmt tatsächlich den Tag der ganz klassenunspezifischen Jugend mehr,
als der Krieg dieses untergehenden Gesellschaftssystems.
Mag es zunächst auch diffus erscheinen, aber der Krieg bestimmt, weil er die deutsche
Mehrheit nicht bestimmt. Weil das bestimmt, was ihn belanglos macht: Gleichgültigkeit!
Anders ausgedrückt ist es die Nicht-Haltung, die den Einzelnen schon mit einem Bein in
die falsche Armee getrieben hat. Alte Kommunisten, Gewerkschafter alter Schule wissen
von der Organisiertheit der Arbeiterjugend Westdeutschlands, von der Gewerkschaftsjugend,
die den Einzelnen mindestens hat lernen lassen, dass man sich zu entscheiden hat.
Mit der Annexion der DDR gehen die meisten Kollektive der Arbeiterjugend beider Länder
in die Knie. Während der vorübergehenden Vormachtstellung des deutschen Imperialismus über
Europa, die ein knappes Viertel-Jahrhundert andauern wird, hinterlassen die Gewerkschaften
drei Generationen ohne Kampf. Zweieinhalb Dezennien schien die Arbeiterjugend, die ganze
Klasse in Einheit mit der Bourgeoisie überleben zu können. Auf Kosten anderer Völker.
Wo aber die Arbeiterjugend nicht kämpft, werden weder die Schüler noch die Studenten
„oben“ von „unten“ unterscheiden können. Und mit Ausnahme des SDS zeigt das die Geschichte
dieses Landes nur allzu deutlich.
Der Krieg tobt in der Welt, an den Universitäten herrscht Selbstbeschäftigung. Je grausamer
die Verbrechen, desto mehr findet das junge Individuum sich selbst. Der deutsche Imperialismus
findet die Grenzen seiner Ökonomie, der kleinbürgerliche Horizont sein reales Desinteresse am
verzweifelten Schrei eines untergehenden Systems, das sich in Spießertum und Verklemmtheit
statt in der Revolution äußert.1
Es ist ein objektives Gesetz der Geschichte, dass nur der weiß, der sich den bestehenden
Verhältnissen widersetzt. Apathie in der Hochschule, an besseren Schulen und Gymnasien ist nur der Höhepunkt mangelnden Infragestellen. Am Ende ist der Tod jeder Wissenschaft immer auch das Produkt des alten und aller Welt so bekannten deutschen Gehorsams. Wer nicht lernt, sich zu wehren, trabt als intellektuelles Lamm vor sich hin, das die Dummheit nicht anficht und kein Krieg mehr aus dem Stall holen wird. Mussten die Nazis dazu noch die Bücher des Wissens verbrennen, kann das Militär heute im Namen der „Freiheit“ in die Schulen ziehen, ohne zu befürchten,
dass allzu viel Wissende die notwendige Freiheit der Wissenschaft, der Lehre, des Unterrichts verteidigen werden.
Wer gehorcht, tritt selbst nach unten und nährt den Rassismus dieses Landes, statt ihn zu
bekämpfen. Wer duldet, treibt die fatalste Spaltung der Arbeiterklasse und der lernenden Jugend
in „Deutsche“ und „Nicht-Deutsche“ voran. Der Handelnde aus diesem Land ist die Voraussetzung,
der deutschen Ideologie ihr „Blut“ und ihren „Boden“ zu nehmen.
Die Lage der Jugend im Krieg misst sich also nicht zuallererst daran, ob sie ihn nun verbal
verurteilt oder nicht. Sie misst sich an ihrem Wissensdurst, am Verhältnis zum Wissen, das Wissen
schafft, also mit den bestehenden Verhältnissen in Widerspruch geraten muss. Die Lage der Jugend
im Krieg misst sich in den Betrieben an ihrem Verhältnis zur Lohnarbeit, am Verhältnis zur
Maschinerie am Arbeitsplatz, die es zu verstehen gilt oder einem den Job kostet. Sie misst sich
weniger an der Zahl an Unterschriften, die Empörung ausdrücken möchten über den Schulterschluss
der Gewerkschaftsführung mit dem deutschen Krieg, als vielmehr am praktischen Anspruch, Wissender
im Betrieb statt geliehener Tagelöhner nach drei verkommenen Ausbildungsjahren zu sein.
Der Krieg rückt sehenden Auges näher. Aber um seine Lage zu erkennen, braucht es die Haltung
im täglichen Schaffen. Wer seine Lage endlich erkennt, kann sie ändern. Nicht umgekehrt!
Wer auf den Tag der Kriegserklärung wartet, hat nicht verstanden, dass er begann, als die eigene
Generation um den Verstand gebracht wurde. Wartet also nicht auf die Helme der Besiegten! Denn
„nicht als man sie vom Kopf uns schlug zuletzt war unserer bitteren Niederlage Stund. Sie war,
als wir sie folgsam aufgesetzt.“2
Die Lage der Jugend aber ändert sich eben so schnell, wie die Kräfteverhältnisse der
Imperialisten nicht in Stein gemeißelt sind. Ausgerechnet der zwischenzeitliche Sieger
über den Sozialismus, der deutsche Imperialismus, fürchtet am deutlichsten um seine letzten
Pfründe und meint, zum Gefecht zu blasen. Er will die Entscheidung um die Jugend, weil er muss
und das ist die Chance der Revolutionäre, die es zu ergreifen gilt!
So isoliert das Individuum heute ist, so isoliert ist auch die revolutionäre Jugend, insbesondere
die FDJ. Wer sie wahrnimmt, isoliert sie weniger. Wer aufsteht und widerspricht und dem Unwissenden
zeigt, dass er sich das Wissen erkämpfen muss, der organisiert, weil er Haltung verlangt! Und so
klein das hier Gesagte auch erscheinen mag, es handelt sich weder um das letzte Aufgebot, noch um
die Verflachung des revolutionären Kampfes.
Nur wer Gesicht zeigt, findet andere Gesichter. Wer den Gehorsam des Alltags verweigert, lehrt dem
Nächsten, selbst den Staat zu hassen. Wer sich Kenntnisse aneignet und mit dem eigenen Wort verbreitet,
lässt den Nächsten sehen, dass die Institutionen Löcher haben. Wer hier durchhält, sieht das Morgen,
einige werden es nicht schaffen.
Und wer sich ständig und mit seiner Organisation im Rücken blicken lässt, lehrt, dass man nicht auf
die „große Masse“ warten braucht, denn gerade sie hat einen Anfang! Einen Anfang wie der Einheit
zwischen der kommunistischen Jugend des Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD und der
sozialistischen Jugend der FDJ. Eine Einheit, die den Parteilosen und den noch Handelnden einer
antikapitalistischen, antifaschistischen Jugend dieses Landes und international täglich und praktisch
unter Beweis zu stellen ist.
Die Einheit ist möglich, wenn auch der revolutionäre und organisierte Widerstand, der Beginn des
Krieges, der dem Krieg den Krieg erklärt, noch schwer zu machen ist.
Nicht auf die „Masse“ zur warten, aber in Einheit zu stehen, ist die Voraussetzung, sich ebenso
in der Gewerkschaft unter den verbliebenen Arbeitern den Respekt zu verschaffen, der den
Revolutionär nicht mehr von seinem Platze räumen lässt!
Der Antikriegskampf ist die alles entscheidende Frage unter der lernenden Jugend in diesem
Augenblick. Und natürlich lassen wir keine Gelegenheit aus, dem kleinsten Funken demokratischen
Widerstands die Glut zu geben. Aber wir haben uns daran zu messen, ob wir der Teil sind, der den
Staatskampf gegen die staatliche Gewalt, die den Krieg gegen die lernende Jugend jeden verdammten
Tag in die ganze untergehende und unerträglich gewordene bürgerliche Gesellschaftsordnung hineinträgt,
voranbringt. Ihren Widerstand, ihren Klassenkampf im Alltag ins Laufen zu bringen – so und nicht
anders drückt sich das großartige Ziel der Vereinigung der Revolutionären Jugend in einem Verband
in dieser Zeit aus. Sonst wird es vielleicht zu lange noch niemand anderes tun.
Wir wollen und wir werden nicht groß erklären müssen, wer an der Front zu stehen hat.
Wir sehen schon selbst, wie die Oligarchen-Reaktion der zerschlagenen Sowjetunion
halbjährlich das Einberufungsalter nach unten setzen muss und Jagd in den durch sie
selbst zerbombten Städten auf die lernende Jugend macht. Eine Jagd in den Krieg gegen
unseres Gleichen, die auch in diesem Land nicht halt macht, drehen wir die Gewehre
gegen die Herrschenden nicht um.
Wir wollen und wir müssen diejenigen sein, die der kämpfenden Jugend lehrt,
im Augenblick des Stillstandes wieder zu tanzen, als gäbe es eben doch ein Morgen!
Es ist der Morgen des Friedens, der rot ist!
Jugendsekretariat des Zentralkomitees
1
„Seine Gesichtszüge zeigten einen Mangel an jeder bestimmten Idee und an
jedem regen Interesse. Ein Gedanke flog wie ein freier Vogel über sein Gesicht, flatterte in den Augen umher,
setzte sich auf die halbgeöffneten Lippen, versteckte sich in den Falten der Stirn, ging darauf ganz verloren,
und dann verbreitete sich über sein ganzes Gesicht die warme, gleichmäßige Helle der Sorglosigkeit.
Von dem Gesichte ging diese Sorglosigkeit auf die Haltung des ganzen Körpers über.“
(„Oblomow“ von Iwan Alexandrowitsch Gontscharow)
2
Kriegsfibel von Bertolt Brecht
Abschlusserklärung des internationalen Sommercamps der JRCF und der FDJ
- Unsere Welt und ihre Völker ist nicht arm, aber sie hungert. Sie ist reich aber die Völker leiden. Die Erde ist fruchtbar, Wissen und Arbeit schafft Reichtum, aber Krieg und Barbarei bringen Zerstörung und Elend. Jeder Tag, an dem diese Welt in den Klauen der Ausbeuterklasse verbleibt, ist ein verlorener Tag für die Menschheit. In unseren Ländern bedeutet diese Herrschaft der Bourgeoisie Deindustrialisierung, Dequalifizierung, Zerstörung und Krieg gegen andere Völker und die Bedrohung durch den Faschismus. Was den Ausbeutern, den deutschen und französischen Kapitalbesitzern, dienlich ist, zerstört die Zukunft und das Leben der Jugend.
- Das zeigt uns: Der Imperialismus ist schwach, er kann die Herrschaft der winzigen Clique von Finanzspekulanten und Milliardären immer weniger stabil halten. Denn um so mehr die Ausbeutung, die Zerstörung zunimmt, um so tiefer schaufelt der Imperialismus sein Grab.
- Die Völker haben kein Interesse, an den Raubkriegen der Monopolherren mit ihrer Arbeit oder dem Leben ihrer Kinder zu bezahlen. Die Kriege der Ausbeuter sind Kriege gegen das Proletariat und die Volksbefreiung. Aber die Schwäche der Bourgeoisie ist die Stärke des Proletariats. Wie lange das Siechtum dieser letzten Ausbeutergesellschaft noch anhält, wie viele Kriege sie noch anzetteln können, ist allein eine Frage der Arbeiterklasse, der Völker, der kämpfenden Jugend aller Länder. Eine Frage, wie schnell wir unsere Bastionen, unsere Organisationen, unsere Macht aufbauen, um die Menschheit zu befreien und den Sozialismus aufzubauen.
- Unsere wichtigste Aufgabe ist es: Den schnellsten und effektivsten Weg zu finden, die proletarische Revolution zum Sieg zu führen und auf diesem Weg die Gefahr eines dritten imperialistischen Weltkrieges, der möglicherweise die Menschheit auslöscht, zu bannen. Die Frage der richtigen Strategie und Taktik kann aber nie nur vom Standpunkt einer Nation betrachtet werden. Diese Diskussion haben wir begonnen. Wir sind nicht in allen Punkten einig. Aber wir sind uns einig, dass diese Auseinandersetzung um den Aufbau eines revolutionären Standpunkts unter der Jugend unabdingbar ist und wir sie fortsetzen werden.
- Wir sind uns einig: Dass die gemeinsame Tat begonnen wurde und fortgesetzt werden muss. Damit der Aufbau einer internationalen Front gegen den Krieg, die wir so dringend brauchen, tatsächlich erfolgt.
Revolutionen beenden Kriege - DER FRIEDEN IST ROT
Muss an möglichst vielen Orten verbreitet werden.
Nicht nur in Frankreich, nicht nur in der BRD und der annektierten DDR!
Wir rufen diese Antwort auf die Barbarei des Imperialismus all unseren
Brüdern und Schwestern auf der Welt zu.
Keskastel, 6. August 2022