Die Wicken blühten. Die Hähne schwiegen betroffen.

Die Türen waren geschlossen. Die Dächer standen offen.

Josef Stalin starb vor 50 Jahren


Eines Morgens, und der wird bald sein, werden wir aufwachen, und es wird Krieg sein. Genau jener Krieg, über dessen Vorbereitung wir täglich bis ins unwichtigste Detail auf dem Laufenden gehalten werden. Und den wir uns dennoch, trotz aller Detailkenntnis, ebenso wenig vorstellen, wie wir uns etwa vorstellen mögen, wie das sein wird, wenn wir sterben. Dieser Krieg wird sehr schnell unsere Vorstellungskraft und unsere Fähigkeit zum Leiden übersteigen. Er wird nicht auf ein Land, (den Irak) begrenzt sein. Er wird die ganze Welt in Brand stecken. Schutz suchend in den Kellern und Trümmer unserer Häuser, auf Panzern fahrend, in Schützengräben liegend, unbeirrbar unsresgleichen tötend, werden die Überlebenden sich am Ende vielleicht doch einmal fragen, warum es soweit hat kommen müssen, zum dritten Mal, und ob es da wirklich nichts gegeben hätte, das wir auch hätten anders machen können.

Tatsächlich haben andere es anders gemacht zu ihrer Zeit und mit anderem Ergebnis. Die Furcht vor kommenden Kriegen ist Anlaß daran zu erinnern:

Als die Nazis kurz davor waren, die Schlacht von Stalingrad zu verlieren, wurde, am 18. Dezember 1942, ein deutscher Gerichtsmediziner, ein gewisser Dr. Girgensohn, in den Kessel von Stalingrad eingeflogen. Er sollte herausfinden, woran die Tausende von Soldaten der eingekesselten 6. Nazi-Armee, die nicht durch Verwundungen, Krankheiten und Erfrierungen umkamen, dort in Stalingrad eigentlich starben. Berichtet wird: “Insgesamt hat Girgensohn in der Zeit vom 19. bis 31. Dezember 1942 etwa 50 Leichenöffnungen durchgeführt. In 25 Fällen fanden sich ausschließlich die Zeichen des Hungertodes. .. Girgensohn hatte Gelegenheit, auch sowjetische Tote zu obduzieren. Auch sie waren verhungert”. (SZ 271; 23 11.2002 S. 17).

Nichts fand sich in den Mägen der Toten der siegreichen Roten Armee. In den Mägen der Verlierer fand sich dasselbe, nämlich auch nichts. Eine halb verhungerte Armee schlug eine halb verhungerte Armee. Der Obduktions­bericht des Gerichtsmediziners Girgensohn lehrt, daß es fürs siegen auf die Füllung des Magens nicht ankommt.

Bei Stalingrad setzten unsere Väter und Großväter einen verzweifelten und ungerechten Kampf nur deswegen fort, weil die herrschende Klasse noch herrschte. Weil auf der anderen Seite der Front, schwer auszumachen in den kalten Ruinen der Stadt Stalingrad, schon eine andere Klasse herrschte, die Klasse der Arbeiter, deshalb siegte die Rote Armee. Weil ihre Klasse herrschte und weil sie die Herrschaft ihrer Klasse verteidigten, deshalb siegten die Sowjetsoldaten. Mit Mägen die genau so leer waren wie die Mägen der Nazis.

Der Krieg ist immer der Krieg einer Klasse oder einer Koalition von Klassen. Ebenso ist, und es ist lebensgefährlich sich darüber zu täuschen, auch der Friede immer nur der Friede einer Klasse oder einer Koalition von Klassen. Augenblicklich ist man in diesem Lande stolz darauf, mit der eigenen Regierung für den Frieden zu sein. Bei großen Demonstrationen für den Frieden, für die eigene Regierung und gegen den Rest der Welt marschiert vorneweg der Präsident des Bundestags. Wir sind für den Frieden der Herrschenden. Wer bewahrt uns, wenn’s drauf ankommt, davor, auch für ihren Krieg zu sein? (“Gilt Ihr Satz noch, wonach Landesverteidigung auch am Hindukusch stattfindet?” wurde Kriegsminister Peter Struck gefragt. Er antwortete: ”Der Satz gilt nach wie vor. Der Satz heißt: Deutschland wird jetzt nicht mehr an unseren Ostgrenzen verteidigt, sondern Deutschland wird überall auf der Welt verteidigt.” SZ 5.02.03)

Anders die Völker der Sowjetunion damals bei Stalingrad und danach. Sie waren in der glücklichen Lage, - in diese glückliche Lage hatten sie sich durch die Durchführung und Weiterführung einer Revolution selber versetzt -, um ihren eigenen Frieden zu kämpfen. Nicht die Freiheit ihrer Ausbeuter zu verteidigen sondern ihre eigene Befreiung von der Ausbeutung. Deshalb siegten sie bei Stalingrad. Deshalb fiel Leningrad nie. Deshalb sind 22 Millionen Sowjetmenschen nicht umsonst gestorben. Sondern darum, die Welt vom deutschen Faschismus zu befreien. Am Anfang stand Stalingrad, am Ende fiel Berlin.

Daß es die Sowjetunion gab, hat uns nach 1945 eine relativ lange Periode relativer Friedlichkeit beschert. Die bloße Existenz der Sowjetunion hielt die Imperialisten vor den furchtbarsten Verbrechen ab (Ausnahmen wie die Kriege gegen Korea und Vietnam bestätigen diese Regel nur). Die Bourgeoisie konnte es sich nicht leisten, ganz einfach zu zerfallen. Im Verhältnis untereinander waren die Imperialisten gezwungen, aus Furcht, der Sowjetunion und dem Lager des Friedens eine Blöße zu zeigen, gewisse zivilisierte Umgangsformen zu beachten. Diese Umgangsformen schlossen das Bombardieren der jeweils anderen Hauptstadt ebenso aus wie die Aufputschung des gesunden Volksempfindens gegen den imperialistischen Erbfeind. Nur weil es die Sowjetunion gab, wurde die UNO gegründet. Sie war eine Weltorganisation gegen das Wiedererstehen des deutschen Militarismus und Faschismus und sie half, das Völkerrecht zu verteidigen, das im Kern nichts anderes ist als das Recht der Völker darauf, ohne Einmischung von außen mit ihren Herren aufzuräumen. Dabei können sie, wenn sie das wollen, auch Hilfe von aussen anfordern. Soweit es die Arbeiterklasse betrifft, handelt es sich dabei nicht um fremde Hilfe. Soweit andere Klassen daran beteiligt sind, mit denjenigen, die auch sie bedrücken, aufzuräumen, müssen sie es mit sich selber ausmachen, ob sie solche Hilfe akzeptieren wollen.

Diese Epoche und damit eine Epoche der relativen Friedlichkeit der Imperialisten untereinander ist unwiderruflich zu Ende gegangen (Im Übrigen nicht am 11. September 2001 sondern spätestens im November 1989 als die DDR annektiert wurde). Die Bourgeoisie zerfällt in Panzerverbände, marodierende Söldnerhaufen und Dreck. Wer am Ende dieser Epoche nüchtern zusammenrechnet, findet: Wir haben die Sowjetunion verloren und dafür hat der Imperialismus die Möglichkeit eines dritten Weltkriegs gewonnen. So steht es. Auch diejenigen, denen die Sowjetunion gleichgültig war, auch diejenigen, die sie nicht mochten, haben sie verloren.

Daß es sie gab, war das Verdienst ihrer Arbeiter und Bauern und Lenins.

Daß sie verteidigbar wurde und sich verteidigte, war das Verdienst ihrer Arbeiter und Bauern und Stalins. Er starb vor 50 Jahren. Wir haben ihn nicht vergessen. In den Kriegen die kommen, wird uns kaum etwas von der ewigen Fortsetzung des Mordens und Verlierens abhalten. Höchstens die Erinnerung an die leeren Mägen der Verhungerten von Stalingrad die beweisen: Eine Entscheidung gibt es immer. Und wenn die Sowjetherrschaft auch nur ein einziges Mal möglich war, wenn sie auch nur ein einziges Mal verteidigt werden konnte, dann muß das ein zweites Mal auch möglich sein. Anders überleben wir nicht und befreien uns nicht. Deshalb kommen wir dem Gedanken an Josef Stalin nicht aus.


Zentralkomitee des Arbeiterbunds für den Wiederaufbau der KPD


Pablo Picasso, Josef Stalin aus Anlaß seines Todestags am 5.3.1953